By martin Die vorsichtige, langsame Führung Gottes ist eine der wunderbarsten Erfahrungen, an die niemand glauben kann, der so etwas nicht selbst erlebt hat. Immer geht es durch Schmerzen und Angst; fortwährend muss der Mensch bereit sein, alles zu opfern, was er besitzt, besonders seinen Willen, und dasjenige, was er allein wirklich sein eigen nennt, stets an Gott vollständig abzutreten. Dann öffnet sich plötzlich wieder eine neue Stufe, auf der das Vorhergehende klar und es besonders ersichtlich wird, dass man glücklich gewählt hat und nun um eine neue Freiheit bereichert ist — für immer.

Denn auf dem Weg der Führungen Gottes kehrt Vergangenes nicht wieder. Das ist der große Unterschied zu den selbstgewählten Wegen der menschlichen Verbesserung, die meist nur ein fruchtloses Aufflattern sind, auf das ein mattes Zurücksinken in die gewöhnliche Denkweise aller Welt folgt.

Laetare1

Wach auf, mein Herz, aus deinem Leid,
Darin du liegst gefangen;
Es endet all die Schmerzenszeit,
Die über dir gehangen.

Heut ist die ganze Welt so schön,
Als wär sie neugeboren;
Du hast auf diesen grünen Höh’n
Schon manche Last verloren.

Auf jedem Groschen glänzt der Tau
In hellster Morgensonne;
Es strahlt im klarsten Himmelsblau
Der Jungfrau Silberkrone.

Auf jedem Ast ein Vöglein wiegt
Vergnügt sein bunt Gefieder;
Der letzte schwarze Rabe fliegt
Ins Land und kehrt nicht wieder.

Halt fest, noch eine kurze Zeit,
Lass dich nichts mehr verbittern;
Es folgt die schönste Sommerfreud
Nach Frühlingsungewittern.

(aus Carl Hilty: »Für schlaflose Nächte“, Leipzig/Frauenfeld 1908)

Laetare bedeutet im Lateinischen “freue dich!” und bezeichnet den vierten Sonntag in der christlichen Fastenzeit. ↩

von: Carl Hilty